02.03.2022
Hellooooo everyone! Herzlich Willkommen auf dem Blog vom Tricontinental Teacher Training der Uni Hamburg, ich freue mich sehr, dass wir hier von unseren Projekteindrücken berichten dürfen und will nun die Gelegenheit nutzen, die letzten zweieinhalb Wochen schon einmal Revue passieren zu lassen.
Am Freitag, den 11.02.2022 ging es los vom Hamburg Airport in Richtung Amsterdam und nachmittags dann weiter über die Saharawüste bis an die Küste Westafrikas in die ghanaische Hauptstadt Accra. Die ganze vorherige Woche über war ich pünktlich ab dem Pre-Departure-Meeting am Montagabend wahrscheinlich so aufgeregt und auch körperlich angespannt wie selten in meinem Leben. Ich hatte einfach mit den Reisevorbereitungen, mit den Hausarbeiten von der Uni, die noch anstanden, mit der Untervermietung meines WG-Zimmers und mit einigen privaten Erledigungen alle Hände voll zu tun, sodass ich gar keine Gelegenheit hatte, mich mental darauf einzustellen, bald irgendwo am Äquator zu sein. Doch nach einem negativen PCR-Test, vielen Besorgungen von Medikamenten, Gastgeschenken und Reiseproviant und einer unruhigen letzten Nacht in meinem Bett ging es endlich los. Alle trafen am Flughafen ein; einige Gesichter und Namen kannte man schon, einige musste ich noch kennenlernen, da wir ja nicht nur mit unserem diesjährigen TTT-Jahrgang unterwegs sind, sondern auch mit sieben Mitgliedern der vorherigen Generation, sowie mit acht Teilnehmerinnen des DiCoT-Projekts (Diversity in Context of Teacher Education). So nutzten wir die Reise um uns schon mal miteinander vertraut zu machen und landeten schnell im feucht-heißen Accra. Dort angekommen brauchten wir noch schlappe drei Stunden, um alle unser Gepäck abzuholen, einen weiteren Coronatest zu machen, die Pässe zu stempeln, die Impfnachweise kontrollieren zu lassen, Geld zu wechseln und Wasser zu kaufen. Dann wurden wir bereits von drei super freundlichen Buddies aus dem TTT-Projekt der Uni empfangen, die uns auf der Fahrt nach Winneba begleiteten. Dort angekommen ging es in unsere Unterkunft, ein Hostel gegenüber dem North Campus der University of Education Winneba mit Zweier- und Dreierzimmern. Nach einer weiteren sehr kurzen Nacht wurden wir in den nächsten drei Tagen herzlichst von unseren Buddies und den Projektkoordinator:innen empfangen. Wir bekamen leckeres ghanaisches Essen von der Cafeteria am Campus, lernten die nun noch größere Gruppe besser kennen und konnten auch den Ort etwas erkunden. Mittlerweile wissen wir dank ihnen, wie man seine neue Simkarte aufladen kann, wo man leckeres Obst bekommt, wie man auf dem Markt die Preise verhandelt und wie man zum Strand gelangt. In den wunderschönen Sir Charles Beach habe ich mich sofort verliebt; die unzähligen Kokosnusspalmen, die hohen, kraftvollen Wellen und die bei Dämmerung orange gefärbte Sonne sehen aus wie aus dem Bilderbuch. Der Name der kleinen Küstenstadt Winneba leitet sich übrigens von den Worten ‘windy’ und ‘bay’ ab. Und es stimmt, nachmittags weht hier meist eine entspannte Brise, was für Ghana nicht selbstverständlich ist. Das erfrischende Lüftchen ist auf jeden Fall eine willkommene Abwechslung zu der permanenten Hitze, die uns am Anfang doch schon ziemlich erschlagen hat.
Nach den ersten drei Tagen, am 15.02.2022 ging dann unser Praktikum an den Schulen los. Zusammen mit Melina, Marijke und Hirbod bin ich an der Zion Girls Senior High School. Das ist der Oberstufenbereich einer reinen Mädchenschule. Ich mache mein Praktikum in Französisch und habe viel mit einem anderen Praktikanten der Uni Winneba zu tun, in dessen Unterricht ich hospitiere, sowie mit einer weiteren Kollegin. In der elften Jahrgangsstufe sind sehr wenige Schülerinnen in meinem Kurs, da Französisch hier kein Pflichtfach ist und so konnte ich relativ schnell den Unterricht des Praktikanten übernehmen und einzelne Unterrichseinheiten durchführen. Eine Herausforderung stellt dar, dass die Lehrkraft und die Schülerinnen keine Materialien außer der Tafel und dem Schreibheft zur Verfügung haben. Möchte man etwas kopieren oder ein Plakat zeigen, so muss man dieses kaufen, gestalten oder in den Copyshop gehen, um Arbeitsblätter nutzen zu können. Internetfähige Smartboards, ein eigenes Buch und Vokabelheft für jede Schülerin, ein gut ausgestattetes Etui und ähnlicher Schnickschnack sind ganz klar außer Reichweite. Stattdessen wird fast ausschließlich frontal und in stiller Einzelarbeit unterrichtet und neue Wörter werden im Sprechchor eingeübt. Mit einer kleinen Gruppe klappt das bei mir eigentlich auch ziemlich gut, wenn man allerdings in die riesigen Politik-, Englisch-, oder Matheklassen schaut, dürfte das weitaus herausfordernder sein. Das werde ich mir hoffentlich nächste Woche noch anschauen.
Im Lehrerzimmer sitzen viele andere junge Lehrer:innen und Praktikant:innen, die meistens fernsehen, quatschen, essen und korrigieren oder die nächste Stunde vorbereiten. Fast jeden Tag werde ich von einer neuen Person angesprochen und neugierig gefragt, wie ich heiße, was ich hier mache, wie mir Ghana gefällt und so weiter. Auch auf der Straße rufen einem ständig fremde Leute nach und stellen neugierige Fragen. Manchmal ist es etwas lästig, aber ich habe natürlich Verständnis für die Neugier und versuche, auf alle interessierten Fragen einzugehen.
Manchen fällt es schwer, meinen deutschen Namen Leonie auszusprechen, deshalb haben wir alle auch unseren ghanaischen Namen gelernt. Dieser beschreibt, an welchem Wochentag man geboren wurde und er ist je nach Geschlecht unterschiedlich. Meiner ist Akua (ausgesprochen Aquia), das bedeutet, dass ich an einem Mittwoch geboren wurde. Einige Buddies haben mir neulich bei einer gemeinsamen Cooking Session sogar zusätzlich einen Namen in der lokalen Fante-Sprache gegeben. Benyiwa, das bedeutet ungefähr soviel wie “die Starke”, “die Unabhängige”, “die Leidenschaftliche”. Ich habe mich sehr geehrt gefühlt, dass sie diesen Namen für mich ausgesucht haben.
Neben der Cookout Session, wo wir lernten, wie wir typische ghanaische Gerichte mit lokalen Zutaten selbst zubereiten können, haben die Buddies noch viele weitere tolle Aktivitäten für uns organisiert. Für ihre unglaubliche Gastfreundschaft bin ich sehr dankbar. Es gab unter anderem einen Drum and Dance Workshop, bei dem wir ausgelassen getrommelt und einen traditionellen Tanz gelernt haben. Ralph, einer der Buddies hat mich mit zum Badmintonkurs genommen, den er für Kinder in einer Slumgegend gibt. Das war auch ein wirklich tolles Erlebnis, die vielen fröhlichen Gesichter und die Begeisterung für den Sport zu spüren, egal ob die Kinder 3 oder 13 Jahre alt waren. Ein Mädchen hat sich minutenlang direkt vor meine Begleitung Marijke und mich gestellt und uns ausgiebig gemustert. Unter meiner Maske habe ich versucht, ihr zuzulächeln.
Ein weiteres großes Highlight für mich war eine Hochzeit in der katholischen Kirche auf dem Unicampus, bei der wir zusehen durften. Hier ist es üblich, zu Hochzeiten einfach so zu erscheinen, auch wenn man das Brautpaar gar nicht persönlich kennt. Die leidenschaftlichen Gesänge und Tänze gingen so tief ins Herz, dass ich in diesem Moment ein paar Tränen der Freude und Erleichterung in den Augen hatte, da ich endlich die Anspannung der vorherigen Wochen fallen lassen konnte. Sehr gefreut habe ich mich außerdem über mein neues Kleid in einem traditionellen bunten Kentestoff, das ich vorher schneidern lassen habe. Die Gelegenheit, sich hier günstig aus den schönen Stoffen eine Maßanfertigung zu machen, wollen viele von uns nicht verpassen. Heute wird sogar meine neue Hose fertig.
Auch wenn wir vielleicht das schnelle, unkomplizierte, bequeme Leben in Deutschland manchmal etwas vermissen, wenn es um das einkaufen, Bus fahren oder Wäsche waschen geht, bin ich sehr glücklich hier, fühle mich wohl und schätze meine Gesundheit sehr. (Liebe Grüße und gute Besserung an meinen Papa in Quarantäne!)
Ich bin sehr dankbar und sende euch herzliche Grüße und viele sonnige und windige Vibes aus Winneba!
Eure Leonie